Manchmal platzt einfach die Bombe. Der emotionale Tsunami rollt über uns – und andere – hinweg. Wir alle haben es schon selbst erlebt, wenn die Emotionen so richtig hochkochen.
Jeder Mensch hat Emotionen. Laut Human Design finden wir unsere Emotionen im dreieckigen Zentrum ganz rechts in der Körpergrafik. Was in unserer Chart so harmlos aussieht, kann in unserem Leben jedoch eine umso größere Wucht entfalten.
Das weiß niemand besser als ich: Ich habe das Emotionszentrum definiert und kenne das Gefühl, wenn „die Bombe platzt“. Und ich beginne zu verstehen, wie ungemütlich es für mein Umfeld ist, wenn Wut, Traurigkeit oder Überforderung in mir hochkochen. Das sorgt nicht selten für Konflikte.
„Ich kann deine emotionalen Wellen nicht halten“, sagte eine Freundin zu mir, als mir im gemeinsamen Urlaub nach Tagen voller Strapazen ganz plötzlich die Hutschnur platzte. Obwohl mein Wutausbruch gar nichts mit ihr zu tun hatte, wurde sie von meiner Emotion überfordert. Als ich sie nach ein paar Tagen darauf ansprach, zog sie sich von mir zurück. Und ich blieb ratlos zurück.
„Bin ich zu viel?“
„Muss ich meine Emotionen jetzt unterdrücken?“
Alles Gedanken, die Menschen mit definiertem Emotionszentrum oft schon ein Leben lang kennen.
Doch wie können wir besser mit unseren Emotionen umgehen?
Was können wir tun, um Missverständnisse und Konflikte zwischen den offenen und definierten Emotionszentren zu vermeiden?
Und was passiert eigentlich in einem offenen Emotionszentrum, wenn bei mir die Emotionen überlaufen?
All das erfährst du in diesem Artikel.
Emotional definiert: Ausdrücken statt runterdrücken
Wenn du emotional definiert bist, kennst du heftige emotionale Schwankungen wie der Fisch das Wasser. Emotionen sind mal da – und dann auch wieder nicht.
Erst kürzlich konnte ich wieder beobachten, wie sich in mir ein emotionaler Tsunami aufbaute. Als selbständige HR Beraterin arbeitete ich regelmäßig in Firmenprojekten mit. Also berichtete ich in einem Meeting über den aktuellen Stand des Projekts. Noch bevor ich fertig war, hoben sich mehrere Hände im Termin. Und dann kam die Keule.
Von verschiedenen Personen wurde mir nahegelegt, dass ich einen großen Fehler gemacht hatte, weil ich frühzeitig mit Führungskräften und Mitarbeitern gesprochen hatte. Das hätte ich nicht tun dürfen.
Die Kritik an sich war völlig in Ordnung. Doch warum hatten alle Beteiligten mehrere Tage abgewartet, um mir das zu sagen?
Dass sie sich hinter meinem Rücken ausgetauscht und mich erst Tage später eingeweiht hatten, machte mich wütend und traurig. Und ich spürte: Whoa, hier baut sich gerade eine richtige Wut in mir auf! Wut auf die anderen. Wut auf mich selbst. Und eine große Ladung Traurigkeit, weil ich durch mein beherztes Voranschreiten mal wieder „zu viel“ gewesen war.
Das Beste, was wir emotional Definierten in solchen Momenten tun können: Unsere Emotionen ausdrücken. Denn angestaute Emotionen sind wie ein brodelnder Kochtopf. Selbst wenn wir den Deckel draufpressen, kocht es irgendwann über. Und dann wird es richtig ungemütlich.
Emotionen sind ein chemischer Prozess in unserem Körper. Eine Energie in Bewegung. Diese Energie braucht einen Kanal, um abzufließen. Wird sie unterdrückt, nimmt die Wucht noch mehr zu. Deshalb hat es keinen Sinn, unsere Emotionen dauerhaft zu unterdrücken.
Eins ist sicher: die offenen Emotionszentren in unserem Umfeld spüren unsere Emotionen ohnehin – ob wir sie unterdrücken oder nicht.
Oft versuchen wir Emotionen zu verstecken, weil wir Angst haben, mit unseren Emotionen „zu viel“ zu sein. Die meisten von uns haben bereits als Kinder gesagt bekommen, dass wir uns „zusammenreißen“ sollen. Noch heute leben wir in einer Gesellschaft, die Emotionen vorschnell als „mangelnde Impulskontrolle“ oder „fehlende Vernunft“ auslegt.
Dabei gehören Emotionen zum Menschsein dazu und geben uns wichtige Botschaften: Sie zeigen uns, wenn unsere Bedürfnisse verletzt wurden und geben uns die nötige Energie, um auf unser Umfeld zu reagieren.
Was mir am meisten hilft, um Emotionen abfließen zu lassen? Ein offener, wertschätzender und wertungsfreier Raum, in dem ich mich einmal „auskotzen“ darf. Eine Ansprechperson, mit der ich meine Gefühle teilen darf, ohne dass sie mich dafür kritisiert. Mein Gegenüber braucht dann auch gar nichts zu sagen – Tipps oder schlaue Ratschläge helfen hier ohnehin nicht weiter.
Gehört und gesehen werden, Emotionen fließen lassen – das ist in solchen Momenten die beste Medizin.
Offenes Emotionszentrum: Ist das meins oder deins?
Was passiert eigentlich in einem offenen Emotionszentrum, wenn bei mir die Bombe platzt? Das habe ich mich schon oft gefragt und mich deshalb mit Menschen ausgetauscht, die ein offenes Emotionszentrum haben.
Lass es mich dir in einem Bild erklären: Du kannst dir ein undefiniertes Emotionszentrum wie die Elbphilarmonie vorstellen. Ein Konzertraum, der so gebaut ist, dass er die akustischen Wellen von Instrumenten verstärkt. Ein Resonanzverstärker, der bewirkt, dass die Geige vorne auf der Bühne noch genauso laut in der letzten Sitzreihe ankommt, wie sie vorne gespielt wird.
Ein Zentrum also, das Emotionen anderer aufnimmt und im Körper des wahrnehmenden Menschen verstärkt.
Wir Menschen haben Spiegelneuronen. Wir sehen und spüren kleinste körperliche Veränderungen unseres Gegenübers und bilden diese in unserem Körper ab – um so sehr feinsinnig die Emotionen anderer in uns wahrnehmen und verstehen zu können. Das nennt man Empathie. Und die haben wir alle.
Doch ein offenes Emotionszentrum ist eine Art „Überempath“. Es nimmt nicht nur die Emotionen von außen auf, sondern verstärkt sie innerhalb des Körpers um das Zehnfache.
Wenn ich daran denke, welche Wucht meine Emotionen bereits in meinem Körper entfalten, möchte ich mir nicht vorstellen, wie sich das ums Zehnfache verstärkt für mein Gegenüber anfühlt. „Körperlicher Schmerz“ ist da wohl der richtige Ausdruck.
Die große Lernaufgabe der offenen Emotionszentren lautet zu unterscheiden:
Welche Emotion ist wirklich DEINE? Und welche gehört eigentlich dem anderen?
Wie kannst du unterscheiden, ob es deine eigene Emotion oder die eines anderen ist, die du in dir aufgenommen und verstärkt hast?
Achtsamkeit: In der Pause liegt die Kraft
Das Zauberwort an dieser Stelle lautet Achtsamkeit.
Emotionen sind immer somatisch, d.h. sie zeigen sich zum Beispiel in Form von Anspannung in unserem Körper. Sobald du eine solche Anspannung bemerkst, kannst du dich fragen:
„Gibt es gerade eine Ursache in meinem Leben, die diese Emotion hervorruft?“
Wurdest du gerade von einem Unbekannten auf der Straße rücksichtslos angerempelt? Dann ist die Wut in deinem Bauch wahrscheinlich deine.
Gibt es jedoch keine ersichtliche Ursache für eine plötzliche, schwere Traurigkeit in dir? Eigentlich ist nichts vorgefallen? Außer dass deine Kollegin eben leise den Raum betreten hat?
Dann darfst du dich fragen, ob diese Emotion vielleicht zu ihr gehört – und dein emotionaler Resonanzkörper gerade ihre Trauer in dir verstärkt hat.
Einen so achtsamen Umgang mit eigenen und fremden Emotionen können wir trainieren. Und zwar, indem wir immer wieder Pausen machen und Zeit allein mit unseren Emotionen verbringen.
Du bist emotional definiert und merkst, dass sich etwas in dir aufbaut?
Dann verlasse einmal die Situation, in der du gerade bist. Geh an die frische Luft. Verbringe Zeit mit dir allein und nutze den Moment, um dir darüber klar zu werden, welche Emotionen gerade in dir köcheln.
Du wirst merken: Je weniger du versuchst, Emotionen zu unterdrücken, desto schneller flauen sie auch wieder ab. Forschungen haben rausgefunden, dass unsere wichtigsten Emotionen innerhalb von 15 bis 30 Minuten wieder abklingen, sobald ihr Auslöser vorbei ist. Das sind doch gute Nachrichten, oder?
Gib deiner emotionalen Welle den Raum, den sie braucht. Sprich aus, wie du dich fühlst. Vielleicht hast du eine gute Freund*in oder Lieblingskolleg*in, die dir den Raum schenken kann, deine Emotionen mitzuteilen.
Mit der Zeit wirst du lernen, welchen Kanal du brauchst, um bestimmte Emotionen abfließen zu lassen. Eine knackige Sporteinheit, um die Aggression loszuwerden? Im Auto oder im Wald mal laut schreien, um die angestaute Wut rauszulassen? Einfach mal im Klo einsperren und 10 Minuten Tränen fließen lassen? Whatever makes you happy.
Du hast ein offenes Emotionalzentrum und wirst von einer emotionalen Welle überfordert?
Du weißt aber nicht, ob das nun deine Emotion oder die eines anderen war? Dann verlasse den Raum und verbringe Zeit allein.
Wenn du es mit einer übernommenen Emotion zu tun hast, wird diese schnell verfliegen, sobald du allein bist. Wie der Duft eines Parfums langsam verfliegt, sobald die Person mit dem Parfum den Raum verlässt.
Deine eigene Emotion dagegen bleibt, auch wenn du den Raum wechselst.
Und auch dir hilft es herauszufinden, wie du Emotionen am besten für dich abbauen kannst.
Miteinander reden – Wie wir emotionalen Verletzungen vorbeugen können
So oft entstehen emotionale Verletzungen, weil Menschen mit definierten Emotionszentren und offenen Emotionszentren aufeinander treffen und einander missverstehen.
So wie meine Freundin und ich, als auf unserer Reise meine emotionale Bombe platzte.
Der wichtigste Schritt für gegenseitiges Verständnis: Miteinander reden.
Wir mit den definierten Emotionszentren dürfen uns darin üben, unsere Emotionen auszudrücken. Unseren Mitmenschen deutlich zu sagen, dass unsere emotionalen Ausbrüche nichts mit ihnen zu tun haben. Gleichzeitig dürfen wir respektieren, dass unsere Emotionen heftige Reaktionen, ja sogar Schmerzen in unserem Gegenüber hervorrufen können, wenn wir sie ungefiltert am anderen „auslassen“. Und dürfen den Rückzug des anderen gerne weniger persönlich nehmen.
Unsere Mitmenschen mit offenen Emotionszentren dürfen sich darin üben, eigene und fremde Emotionen zu unterscheiden – und sich gesund abgrenzen, wenn es ihnen selbst zu viel wird. Hier ist Eigenverantwortung und Übung gefragt. Sehr häufig haben die offenen Emotionszentren seit ihrer Kindheit gelernt, emotionale Ausbrüche ihrer Mitmenschen auf sich zu beziehen und denken, sofort die „Harmonie herstellen“ zu müssen. Doch das ist nicht zielführend – schon gar nicht für denjenigen, der gerade seine Emo-Welle reitet.
Lasst uns aufhören nach Schuld zu fragen.
Lasst uns lieber gemeinsam voneinander lernen, die Emotionen zu surfen.
Dann gewinnen alle – offene und definierte Emo-Zentren.
Mehr über meinen Weg mit Human Design erfährst du hier.